Kulturelle Aneignung nicht möglich

Während einer Reise durch die Provinz Quang Trị habe ich heute Abend im kleinen Ort Dong Ha eine faszinierende kulturelle Erfahrung gemacht. Mir wurde eine Darbietung präsentiert, die mir bisher völlig unbekannt war: Bài Chòi. – von Christoph Waldhauer

Bài Chòi – Mehr als nur Unterhaltung

Eigentlich wirkt das Spiel ganz einfach: Es erinnert an Bingo, wird aber von Gesang und Tanz begleitet. Doch Bài Chòi ist viel mehr als musikalische Unterhaltung bei einem sehr reichhaltigen Essen. Die Ursprünge dieser Kunstform liegen im ländlichen Vietnam, wo sie als Zeitvertreib entstand.

Essen Bài Chòi©Vietnam Tours Leverkusen

Historischer Ursprung

Vorformen des Bài Chòi entstanden, als auf Feldern Bambushütten errichtet wurden, damit Wachleute mit Trommeln und Rufen Wildtiere vertreiben konnten. Um den Dienst angenehmer zu gestalten, entwickelten die Vietnamesen Spiele, Gesänge und Interaktionen zwischen den Hütten. So entstanden Lieder, in denen es um Heimatliebe, Gemeinschaftssinn und Lebenserfahrungen geht.

Bài Chòi©Vietnam Tours Leverkusen

Das Spielprinzip

Ich erhalte eine Karte mit zwei Wörtern, die in einem Lied vorkamen. Wenn ich diese Wörter erkenne, sollte ich die Hand heben – was für mich natürlich unmöglich ist, vielleicht auch, weil ich von dem visuellen und akustischen Spektakel zu sehr abgelenkt bin. Vielleicht ein Fall für Ry Cooder? Buena Vista Social Club auf Vietnamesisch? Jedenfalls wird die Musik mit professioneller Heiterkeit vorgetragen. Es wird sogar ein Stück mit Tanzeinlagen dargeboten, bei dem nur gelacht wird.

Bài Chòi©Vietnam Tours Leverkusen

Preise und Begegnungen

Der Preis für das Spiel ist ein Gläschen regionalen Schnapses. Meine Tischnachbarn bestimmten mich, den Gewinn entgegenzunehmen – wohl nur, weil ich am nächsten saß. Einen zweiten Preis möchte ich nicht. Da muss ein anderer ran. Ich habe mich nach der Darbietung kurz mit dem Gitarristen über die Stimmung seiner Gitarre (sah wie eine Stratocaster aus) unterhalten. Es scheint eine offene Stimmung zu sein. Jedenfalls konnte er das Intro von „Honky Tonk Women” darauf spielen, auch wenn es ein wenig asiatisch klang. Gerne hätte ich noch erfahren, was er da für ein Effecktgerät mit dem Fuß bedient hat.  Alles in allem war wirklich eine außergewöhnliche Erfahrung. Nicht nur für mich als Hobby-Musikarchäologen.

Guitarrman Bài Chòi©Vietnam Tours Leverkusen

Essen Bài Chòi©Vietnam Tours Leverkusen

Bài Chòi als Kulturerbe

Bis heute ist die Kunst von Bài Chòi eine wichtige Kultur- und Freizeitaktivität in den Dorfgemeinschaften Zentralvietnams. Die UNESCO hat Bài Chòi als immaterielles Kulturerbe der Menschheit anerkannt. Ein unterhaltsames Beispiel lebendiger Tradition!

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