
Telefon Privat ©Vietnam Tours Leverkusen
Mit einem Anruf öffnet sich plötzlich die Tür zu einem dunklen Kapitel der Geschichte: Dien Bien Phu. Was als vermeintliche Reiseanfrage beginnt, wird zur Spurensuche des Angerufenen. – von Christoph Waldhauer
Eines Tages klingelte das Telefon. Eine unbekannte Nummer. Zögernd nahm ich ab.
„Machen Sie auch Dien Bien Phu?“ Diese kurze Frage hing in der Luft, ohne einleitende Worte. Ein Moment der Verwirrung wich einer professionellen Neugier.
„Natürlich“, antwortete ich, „wenn Sie Dien Bien Phu in Vietnam meinen, bieten wir Reisen dorthin an.“
Ich muss da hin
Am anderen Ende der Leitung folgte eine kurze Stille, dann die scheinbar dringliche Feststellung:
„Ich muss da hin.“
Die Entschlossenheit in seiner Stimme ließ mich aufhorchen. Der Vater, so erzählte er, sei dort gefallen, in Dien Bien Phu. Er wusste nicht einmal, ob es ein Grab gab, einen Ort der Erinnerung.
Das obligatorische Schwarz-Weiß-Bild
Seinen Vater hatte er nie kennengelernt. Er kannte ihn nur von dem obligatorischen Schwarz-Weiß-Bild in Wehrmachtsuniform, das nach Kriegsende ebenso wie bei so vielen anderen Familien auf der Kommode stand. Damit er wenigstens ein Bild seines Vaters hatte. Falls er doch noch eines Tages nach Hause käme. Irgendwann stand es nicht mehr dort. Sein neuer Vater mochte es nicht.

Foto Privat©Vietnam Tours Leverkusen
Der Auslöser
Nun erzählte der Anrufer von einer kürzlich gesehenen Dokumentation über die Schlacht von Dien Bien Phu. Es waren Bilder erbitterter Kämpfe an einem fernen Ort. Diese Bilder ließen ihn nicht mehr los. Schließlich war es auch ein Teil seiner eigenen Vergangenheit.
Ein stummer Zeuge
Die Familie besaß nur diesen einen Brief, eine knappe Nachricht über den Tod „für Frankreich“ im Jahr 1954 in Dien Bien Phu als französischer Fremdenlegionär. Manche Familien wollten den Vermerk „Gestorben für Frankreich“ abändern. Sie wollten ihn in „Gestorben auf dem Feld der Ehre“ ändern.
Es wurde beharrlich geschwiegen
Es war ein Tabuthema in der Familie und ein unbewältigtes Trauma. Nur er war noch am Leben. Seine Mutter war schon vor langer Zeit gestorben. Sie hatte zu des Vaters Zeit in der Fremdenlegion beharrlich geschwiegen. Dieser Brief war alles, was ihm blieb – ein stummer Zeuge seiner unverarbeiteten Vergangenheit.
Ich melde mich
„Hören Sie“, sagte er schließlich mit gefasster, aber belegter Stimme. „Ich werde darüber nachdenken und mich melden.“
Dann legte er auf. Ich hörte nie mehr von ihm.
Die Fremdenlegion in Indochina
Die Fremdenlegion in Indochina – ein düsteres Kapitel. In Indochina führten diese Einheiten erbitterte Kämpfe gegen die Viet Minh (eine nationalistische und kommunistisch geführte Unabhängigkeitsbewegung) – oft unter extremen Bedingungen und schlecht ausgerüstet. Sie kämpften in einem Krieg, dessen Ziel und Legitimation immer stärker hinterfragt wurden. Die Legionäre kämpften für ein Kolonialreich, das sich im Zerfall befand. Viele von ihnen überlebten den Krieg nicht.

Französische Soldaten Schlacht bei Dien Bien Phu©Vietnam Tours Leverkusen
Deutsche Fremdenlegionäre
Bekannt ist, dass nach dem Zweiten Weltkrieg bis zu 35.000 ehemalige Wehrmacht- und Waffen-SS-Angehörige in die Legion eintraten – oft auf der Suche nach einer neuen Identität oder der Flucht vor ihrer Vergangenheit und begangenen Verbrechen.
Buschmüller
Auch in Afrika waren Sie im Einsatz. Berüchtigt unter dem Spitznamen „Buschmüller“. Der Name stand für Härte, gnadenlose Kampfführung sowie ein oft rücksichts- und erbarmungsloses Vorgehen gegenüber Aufständischen. Diese „Buschmüllers“, die überlebten und nach ihrer Zeit in der Legion in die Zivilgesellschaft entlassen wurden, kehrten auch in die noch junge bundesdeutsche Nachkriegsgesellschaft zurück. Es waren und wurden auch Väter.

Foto Privat -Fremdenlegionäre 1954©Vietnam Tours Leverkusen
Vietnam – Die Schlacht von Dien Bien Phu
Nach dem Zweiten Weltkrieg versuchte Frankreich, seine Kolonialherrschaft in Indochina wiederherzustellen, stieß dabei jedoch auf den starken Widerstand der vietnamesischen Unabhängigkeitsbewegung. Die kommunistisch geführten Viet Minh führten einen Guerillakrieg.Die Schlacht von Dien Bien Phu (13. März bis 7. Mai 1954) war eine entscheidende Auseinandersetzung des Ersten Indochinakrieges, nahe der heutigen vietnamesischen Stadt.
Französische Streitkräfte unterlagen den entschlossenen Viet Minh-Rebellen (Rebellen aus französischer Sicht) unter General Vo Nguyen Giap.

Viet Minh©Vietnam Tours Leverkusen

Umgebung von Dien Bien Phu ©Vietnam Tours Leverkusen
Die Belagerung
Um die Viet Minh zur offenen Feldschlacht zu zwingen, errichteten die Franzosen in Dien Bien Phu neun Hauptstützpunkte mit wohlklingenden Frauennamen wie Anne-Marie oder Gabrielle. Doch General Giap überraschte sie mit einer Belagerungstaktik: Er ließ unter enormen Anstrengungen schwere Artillerie auf die umliegenden Hügel bringen und nahm die französischen Stellungen gezielt unter Beschuss.
Kapitulation
Die 56-tägige Belagerung schnitt die französischen Truppen vom Nachschub ab. Trotz amerikanischer Luftunterstützung gelang der Durchbruch nicht.
Am 7. Mai 1954 kapitulierten die geschlagenen Franzosen.

Viet Minh©Vietnam Tours Leverkusen
Gefallene
7.000 bis über 10.000 vietnamesische Soldaten (Viet Minh) und 2.500 französische Soldaten, darunter mehrere Hundert Fremdenlegionäre.
Die Viet Minh erlitten zwar deutlich höhere Verluste, kämpften jedoch mit enormem Durchhaltevermögen und unter schwierigen Bedingungen – teils ohne ausreichende medizinische Versorgung.
Die Franzosen, einschließlich der Fremdenlegion, waren zwar besser bewaffnet, jedoch strategisch unterlegen. Sie waren eingekesselt und zunehmend isoliert. Die moralische Belastung war enorm und die Kapitulation letztlich unvermeidlich.

Französisches Mahnmal Dien Bien Phu – Privat ©Vietnam Tours Leverkusen
Das Ende einer Kolonialmacht
Die Niederlage in Dien Bien Phu beendete die französische Kolonialherrschaft in Indochina. Die Genfer Konferenzen teilten Vietnam und entließen Laos und Kambodscha in die Unabhängigkeit.

Tunnel Eingang Dien Bien Phu©Vietnam Tours Leverkusen
Die Folgekriege
Zu den Konflikten zählen der Laotische Bürgerkrieg, der Kambodschanische Bürgerkrieg, der Vietnamkrieg, der Kambodschanisch-Vietnamesische Krieg und der Chinesisch-Vietnamesische Krieg. Nicht zu vergessen ist der Koreakrieg, der vom 25. Juni 1950 bis zum 27. Juli 1953 stattfand. In diesem Stellvertreterkrieg standen sich die USA und China bzw. die Sowjetunion gegenüber.

Propagandaplakat©Vietnam Tours Leverkusen
Welle der Ermutigung
Die vietnamesische Teilung führte zum Vietnamkrieg mit US-Beteiligung. Diese symbolträchtige Niederlage löste international eine Welle der Ermutigung aus – besonders in Afrika, dem Nahen Osten und weiteren Teilen Asiens, wo ähnliche antikoloniale Bewegungen bereits gärten.

Dien Bien Phu ©Vietnam Tours Leverkusen
Dien Bien Phu heute
Dien Bien Phu ist heute eine ruhige und geschichtsträchtige Stadt. Sie hat sich kontinuierlich weiterentwickelt und ist vor allem durch ihre Rolle im Vietnamkrieg und in der Kolonialgeschichte bedeutend. Museen, Gedenkstätten und ehemalige Schlachtfelder sind die Hauptattraktionen. Besucher aus dem In- und Ausland kommen hierher, um sie zu besichtigen.

Lotus Teich©Vietnam Tours Leverkusen
Mehr als Geschichte
Die Geschichte von der Schlacht bei Dien Bien Phu ist auch eine Geschichte individueller Schicksale, verlorener Väter, der Sprachlosigkeit und der Suche nach Identität.
Ich hoffe, dieser Sohn hat seinen Frieden gefunden – vielleicht eines Tages an diesem fernen Ort. Auch ohne meine Unterstützung.